Nachhaltige Integration/Inklusion
Das Thema Integration hat in den letzten Jahren schon so manche Frustration hervorgerufen. Es gibt Stimmen, die sagen sie sei gescheitert. Doch welche Erwartungen stecken hinter dem Begriff? Und wessen Erwartungen sind es? Wenn wir in einer Gesellschaft leben wollen, die eine Teilhabe aller ermöglicht, lohnt es sich genauer hinzuschauen: Schafft unser Ansatz von Integrationsarbeit wirklich Augenhöhe oder verstärkt er vielleicht eher Unterschiede?
Neuzugewanderte in der Freiwilligenarbeit
Um Integration inklusiver zu gestalten, müssen Einheimische und Neuzugewanderte auf einer Ebene agieren können – wir nennen das ‘auf Augenhöhe’. Finden sich Menschen allerdings in getrennten Gruppen wieder, besonders in einem ungleichen Machtverhältnis (beispielsweise getrennt in Helfende und Bedürftige) ist Augenhöhe unmöglich.
Wollen wir wegkommen von der Dynamik der Integration als Einbahnstraße und sie eher als Prozess des Zusammenlebens verstehen, dürfen Einheimische nicht nur als Unterstützer*innen von Integration verstanden werden, sondern genauso wie Neuzugewanderte auch als Zielgruppe und Mitgestalter*innen des Prozesses.
Um diese Zielgruppe zu erreichen und eine langfristige Beziehung aufzubauen, hilft es uns ihre Bedürfnisse besser kennenzulernen. Insbesondere ihren Wünschen und Talenten sollte Raum gegeben werden. Meistens werden einheimische Ehrenamtliche aber nicht als Hauptzielgruppe eines Projektes wahrgenommen.
Neuzugewanderte Menschen haben genauso viel zur Gesellschaft beizutragen wie Einheimische. Wir sind alle Menschen. Wir sind alle gleichermaßen Teil dieser Gesellschaft.
Integration ist weit mehr als Nothilfe. Solange wir davon reden, „Flüchtlingen zu helfen“, kommen wir nicht davon los, Integration als Nothilfe anzusehen. Diese Menschen bleiben in ihrer zugewiesenen Rolle als Bedürftige. Aus dieser Position heraus auf Augenhöhe treffen? Unmöglich.
Darum setzen wir am Verständnis von Integration an:
Neuzugewanderte Menschen sind nicht immer nur “bedürftig.”
Wird ihnen diese Rolle allerdings permanent zugeschrieben, wird Empowerment nicht nur verhindert, es wird auch aktiv zu einem „Disempowerment“ beigetragen. Es ist gleichzeitig auch eine Form von Entmündigung.
Ehrenamtliche engagieren sich häufig „für“ Neuzugewanderte, aber
niemand kennt die Zielgruppe so gut wie die Zielgruppe selbst.”
Ein Ehrenamt, beispielsweise in Form von Engagement in einem Verein, hat in einigen Orten Deutschlands eine besondere soziokulturelle Bedeutung. Dies ist auch der Grund, warum die Einladung und Ermöglichung der Teilnahme von Neuzugewanderten sehr stark zu ihrem Zugang und ihrer Teilhabe an ihrem neuen Wohnort beitragen.
Einheimische in der Freiwilligenarbeit
Selbstreflexion: Warum engagiere ich mich?
Engagement hat vielfältige Gründe. Einerseits glauben viele, dass es einfach dazu gehört, für andere in der Gesellschaft seine Zeit und Fähigkeiten einzubringen, andererseits fühlt man sich auch selbst gut, wenn man etwas Gutes getan hat. Außerdem lernt man in der Regel neue Leute mit ähnlichen Interessen kennen und oft entstehen sogar Freundschaften. Häufig erlernt man auch neue Fähigkeiten. Ehrenamtliches Engagement bringt also für diejenigen, die sich engagieren, mindestens genauso viele Vorteile wie für die Zielgruppe des Engagements. Häufig erscheint es dabei klar, dass im Kontext der Integrationsarbeit Neuzugewanderte die Zielgruppe sind und Einheimische sich für die Zielgruppe engagieren. Doch so einfach ist es nicht.
Nur weil eine Person ehrenamtlich tätig ist und in der Integrationsarbeit aktiv, ist die Person nicht zwangsläufig einheimisch. Sowohl Einheimische als auch Neuzugewanderte können sich in der Integrationsarbeit ehrenamtlich engagieren,

wenn sie beispielsweise kostenlos Sprachunterricht geben, gemeinsame Kochabende organisieren oder Sporttrainings ausrichten. Gleichzeitig können sowohl Neuzugewanderte als auch Einheimische an diesen Aktivitäten teilnehmen und sind dann Teilnehmende.
Nur wenn Einheimische und Neuzugewanderte gleichermaßen die Möglichkeit haben, am Integrationsprozess teilzunehmen und ihn mitzugestalten, kann Integration erfolgreich sein. Für Einheimische ist das häufig sogar schwieriger, weil sie sich nicht immer bewusst sind, was sie tun können und welche Rolle sie eigentlich in dem Prozess haben. Neuzugewanderte setzen sich mit diesen Fragen zwangsläufig stark auseinander. Deshalb ist es besonders wichtig, dass Angebote so gestaltet sind, dass sie sowohl Neuzugewanderte als auch Einheimische dabei unterstützen, die eigene Situation zu reflektieren und neu dazu zu lernen.
Am einfachsten geht das, wenn Einheimische konsequent als Zielgruppe behandelt werden. Alle Angebote werden also für Neuzugewanderte und Einheimische konzipiert. Was brauchen sie? Wann ist das Angebot für sie interessant? Wie können sie erreicht werden? Welche Veränderung soll das Angebot für sie bringen?
Außerdem hilft es, wenn man die Idee des “Helfens” aus der Integrationsarbeit ausklammert. Zwischen Helfenden und Hilfsempfängern besteht zumindest temporär immer eine ungleiche Beziehung. Voneinander und miteinander zu lernen ermöglicht es anderen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und Gemeinsamkeiten zu entdecken.
Wozu führt dieser Ansatz
Wenn Neuzugewanderte und Einheimische ein Angebot als Teilnehmende wahrnehmen, sind sie in der gleichen Rolle, lernen zusammen, tragen zusammen zu etwas Neuem bei — so werden Gemeinsamkeiten sichtbar.

Das gleiche gilt im Engagement. Auch hier begegnen sie sich als Engagierte für eine gute Sache und nicht in ihrer Rolle als “Neuzugewanderte” oder “Einheimische”. Dieses Rollenselbstverständnis zu überwinden kostet ein bisschen Übung. Je öfter man sich in Situationen wiederfindet, wo Menschen unterschiedlicher Herkunft und Identität ähnliche Rollen ausfüllen, desto einfacher wird es.
Fragen zum Nachdenken
Warum engagierst Du Dich? Was hast Du selbst von Deinem Engagement? Was haben andere davon, dass Du Dich engagierst?
Erwartest Du Dankbarkeit oder Anerkennung für Dein Engagement? Wenn ja, von wem? Warum?
Kommt dir das bekannt vor? Du wolltest helfen, hast am Ende aber mehr bekommen als du gegeben hast?
Wo profitierst Du vom Engagement anderer?
TOOL:
Integration – ganzheitlich denken-